Cautiously ambitious
this was originally posted on the 18th of August 2015!
die Chiemgauer 100 Meilen sind einfach was Besonderes. Die Landschaft, die Leute, die Atmosphäre und auch der Rennablauf mit all seinen Regeln (es gibt fast keine!) machen diesen Event einfach einzigartig hier in unserer Gegend. Gi (Giselher Schneider, der Organisator und das Herz dieses Laufs) hat den „american spirit“ vor nun schon 11 Jahren in die schönen Chiemgauer Alpen verfrachtet. 2011 durfte ich das erste Mal dabei sein. Und seitdem war ich jedes Jahr wieder am Start. Auch heuer soll es wieder so sein. Die Motivation passt und ich freu mich einfach wieder hier zu sein. [„cautiously ambitious“ hab ich von Alex Nichols letztem Interview auf Talk Ultra ; reinhören zahlt sich aus!]
Am Donnerstag mittags früher aus dem Büro und ab nach Rupolding. Am Abend Quartier beziehen (=Parkplatz suchen) und etwas ausschlafen bevor es freitags dann ja auch schon losgeht. Für mich diesmal wieder um 19:00 (nachdem der 100 Meiler ein „Bonus“ zum 100km Lauf ist, darf auf die 100km Strecke (für uns km 87) erst frühestens um 4:30 am Samstag gestartet werden; somit muss jeder 100 Meilen-Läufer sich selber überlegen wann er am Freitag ab 14 Uhr (zu jeder vollen Stunde) starten will, damit er (a) nicht aus den Zeitlimits fällt und (b) nicht im Stadion vor Beginn der 100km Strecke zu lange warten muss.)
Wir starten zu zweit. Tobias Krumm und ich. Er ist der heurige Sieger und Streckenrekordhalter des 320km langen und fast 12000hm schweren Wibolt den er in 46:48 h finishte. Stark. Somit war sein Plan dieses Teil hier in etwa 23 Stunden zu finishen. Wohl berechtigt angesichts der Zahlen; wohl ein starker Mitstreiter; denn die sub-24 Stunden Marke ist mir erst letztes Jahr gelungen zu durchbrechen. Und dies bei guten Bedingungen und einen perfekten Antreiber: Rudi (der heuer leider nicht dabei ist und sein Glück beim Großglockner Ultra versucht).
Anfänglich geht es kurz eher flach dahin und wir laufen nebeneinander. Obwohl wir spät gestartet sind, ist es ordentlich warm. Besser gesagt schwül. Tobias läuft nach Pulsuhr und meint wir sind am oberen Limit. Beim ersten Anstieg rauf Richtung Zinnkopf meint er, es wäre für den Anfang wohl zu zügig und er macht nun etwas piano. Bei mir fühlt es sich gut an und ich nutze die Gunst der Stunde und laufe weiter. Schon nach wenigen Minuten bin ich alleine und kann meinen Rhythmus finden. Sehr schön. Zinnkopf rauf über die teils ausgemähten Pfade (danke Wolfi!) und oben der kurze Blick zum Chiemsee rüber. Dann aber Konzentration auf den Downhill runter zur ersten Labestation. Nicht gleich die Oberschenkel überstrapazieren; aber auch nicht zu locker lassen. Gesagt getan. In 1:37h erreiche ich V1; Hörgering. Silke ist da; ich schnappe mir meinen Rucksack und etwas Wassermelone und weiter gehts.
Richtung Lechner Hütte fängt es an mächtig zu blitzen. Die einbrechende Dunkelheit wird immer wieder kurzfristig vertrieben. Ein schönes Schauspiel. Für die die weit genug weg sind vom eigentlichen Gewitter. Der Blick Richtung Teisenberg lässt erkennen, dass es dort richtig umgeht. Von hier aus sieht das Gewitter genial schön (hell) aus, aber ich bin froh nicht mittendrin sondern nur dabei zu sein… Armin, der eine Stunde vor mir gestartet war, hat hier anderes zu erzählen; er kauerte eine gute halbe Stunde am Waldrand und seine Karbonstecken lagen weit von ihm weg. Als ich Hammer passiere scheint das Gewitter sich verzogen zu haben; aber herumliegende Äste verraten, dass es schon etwas umgegangen sein muss hier. Eine Abkühlung dieser „Tropenhitze“ (einfach echt hohe Luftfeuchtigkeit) brachte das Gewitter allerdings nicht. Rauf auf den Teisenberg quatscht es aus den Schuhen (obwohl ich keinen Regen abbekommen habe). Dies sollte sich später noch „rächen“…
Die Stoißeralm erreiche ich im Vergleich zum Vorjahr in guter Verfassung (allerdings 2min langsamer als 2014). Meinem Magen geht es gut; diesmal kein Tee notwendig. Ich fülle nur kurz meine Flasks und weiter gehts durch die Nacht. Rüber zur Steineralm geht es definitiv leichter als im Vorjahr. Sehr cool. Aber ich versuche meinen Rhythmus beizubehalten und gleichmäßig die km hinter mich zu bringen. In Adlgass bei km 52 gibt es dann die erste wirkliche Labe.
Vorallem für mich, weil Silke diese betreut. 23min schneller als letztes Jahr. Etwas Pause, etwas Essen fassen, etwas mit den Leidensgenossen plaudern, die teils einige Stunden vor mir gestartet sind. Die Nacht ist immer noch (zu) warm und ohne Shirt-Wechsel geht es weiter. Stecken schnappen und den Anstieg zur Kohleralm in Angriff nehmen.
Kohleralm: wie immer ein Fest. Einen halben Kartoffel, ein Stück Schoko und ein Red Bull (nochmals danke Wolfi und den Rest der Kohleralm-Crew!) sowie 2 Tassen Tee. Gestärkt ist der Downhill ein Spaß und runter zum Mauthäusel verläuft es unproblematisch. Kurz davor laufe ich dann auf Armin auf. Eine vegetarische Suppe. Gels nachfüllen, die Reservebatterien in die Stirnlampe tun und weiter gehts. Ab in die Weissbach-Schlucht, die wie immer eine Freude ist. Die Beine sind immer noch zum Laufen aufgelegt und nur meine Lampe meint sie sei schon müde. Reservebatterien sind aber schon drin. Tja, bald wird es ja Tag. Auf die niedrigste Stufe schalten und weiter (Anfängerfehler, ich weiss).
Beim Cafe Zwing geht es in die altbekannte Querung. Dieses Teilstück mit seinen Seilversicherungen ist einfach immer schön. Auch schön anstrengend. Aber immerhin laufe ich doch einiges davon. Irgendwann kommt dann auch die Kaitlalm in Sicht und M&Ms werden vernascht. Etwas Iso, Wasser, weiter. Runter zum Taubensee. Enjoying myself so gut es geht. Und hier wird es ja schön langsam Tag. Die Lampe hat ihren Dienst geleistet und bald reicht das erste Tageslicht aus.
Die letzten Meter ins Stadium, km 87. Den Start der 100km Läufer versäume ich leider um eine gute Viertelstunde. Verdammt. Hätte ich mir gerne angesehen! Etwas Grießpudding, Nutellabrot und das wars dann auch schon wieder (die geplanten Nudeln mit SojaBolognese bekomme ich jetzt grad nicht runter). Es ist immer noch so warm, dass ein Shirtwechsel keinen Sinn macht und ich laufe ohne Wechsel weiter.
Der Anstieg rauf zum Unternbergsattel ist wie immer nicht einfach, weil doch recht steil; aber es schiebt sich mit den Lekis gut hoch. Oben rüber laufe ich wieder einige Passagen; ganz ok. Der Blick zur Hörndlwand. Aber zuerst muss noch die Branderalm passiert werden. Da musste ich 2013 aussteigen. Diesmal kein Gedanke daran. Gut. Die Sonne hat sich hinter den Wolken versteckt und es ist nicht all zu warm, ein angenehmer Wind (im Vergleich zur Nacht ja fast perfekt). Der Anstieg rauf zur Hörndlwand ist abwechslungsreich; schon einmal weil ich bemüht bin auf keinen dieser kleinen schwarzen Salamander zu steigen die hier zu Dutzend am Weg sind. Das kann eigentlich nur heissen, dass es heute bald nochmals Regen geben wird. Der Blick Richtung Röthelmoos lässt schwarze Wolken erkennen. Leichter Regen setzt ein; aber nur leichter. Oben angekommen erwarten mich zwei junge Gesichter, ihr Tarp, etwas Wasser, ein Magnesiumpulver und Gummibärchen. Danke vielmals fürs raufschleppen der ganzen Sachen! Nebenbei erfahre ich, dass ich der Erste überhaupt bin der bei ihnen auftaucht. Ok. Dachte ich eigentlich nicht. Na dann; weiter so. Naja, nicht ganz.
Auf der anderen Seite runter die Hörndlwand nach Röthelmoos war die Hölle. Ordentlich rutschig (hier hatte es die letzte Nacht auch ordentlich geregnet, wie mir dann bei der Labestation Röthelmoos berichtet wurde) und meine aufgeweichten Zehen (vom vielen Schwitzen in der ersten Nacht und nun den nassen Grasabschnitten) beginnen Probleme zu machen. Die Nägel drückt es in die weiche Haut. Autsch. Ich gehe es sehr behutsam an. Vermutlich meine langsamste Zeit bislang für diesen Abstieg. Anyway, irgendwann dann ja auch unten gut angekommen. Labestation. Etwas plaudern, etwas essen. Cola. Fein. Aber nicht allzu lange verweilen. 34min schneller als 2014. Gut.
Weiter gehts in Richtung Jochbergalm und Hochsattel. Es ist zwar nicht grad locker flockig mehr; aber irgendwie auch nicht wirklich mühsam. Es geht dahin. Es kommt mir nicht einmal in den Sinn meinen iPod überhaupt zu benutzen (und dies sollte sich bis ins Ziel auch nicht ändern). Jochbergalm. Kurze Pause. Kurz hinsetzen.
Und weiter geht es über den Hochsattel und die Almen und einem längeren Forststrassenstück bergab an Eschelmoos vorbei nach Kohlstatt. Letztes Jahr hat mich hier Alois mitgezogen. Heute geht es ganz alleine da runter. Drehe mich aber vorsichtshalber immer wieder mal um. Die Zehen schmerzen und einiges an Zähne zusammenbeissen muss nun schon sein.
Labestation. Schuh- und Sockenwechsel (von S-LAB Wings auf Sense 4 SG) und eine Portion Hirschtalg darf auch nicht fehlen. Cola, Wassermelonen (was für ein wunderbares Obst!!!), etwas Zuspruch von Silke und weiter gehts. Die steile Wiese ist noch nicht ganz in der Sonne und ich nutze den Schatten so gut es geht aus. Auch hier wieder die Feststellung, dass es im Vergleich zu anderen Jahren gut dahin geht. Die Motivation ist da; obwohl ich eigentlich nicht wirklich weiss wie viel Vorsprung ich auf die anderen habe geht es beständig dahin; kein wirklicher Druck, aber so kann ich eben meinen Rhythmus beibehalten. Hocherbalm. Nach Maria Eck rüber. Irgendwie erinnere ich mich an den Abschnitt nicht mehr sehr, es läuft einfach „rund“ (der Schuhwechsel war eine gute Entscheidung) und ich denke an nicht viel. Wieder Wassermelonen und kalte Getränke in Maria Eck. Silke ist da. Und auch Marcus erfreut mich mit seiner Anwesenheit. Immer wieder eine Freude dich zu sehen. Danke fürs vorbei schauen! Weiter gehts nach Egg. Nette Wegerl und die Zeit vom Vorjahr konnte ich hier sogar unterbieten.
Nochmals Wassermelonen, Cola und etwas Wasser zum Kopf waschen. Etwas Eis auf meine Oberschenkel und die Armgelenke. Der finale Anstieg darf beginnen. Rauf auf den Hochfelln. Der längste Anstieg des Rennens hier nun zum Schluss. Einen Fuss vor den anderen. Einen Stockhub nach dem anderen. Nach dem anfänglichen Schotterstrassenstück beginnt bald ein abwechslungsreiches Wegerl. Der erstmögliche Blick Richtung Gipfel lässt dunkle Wolken erkennen. Sehr dunkle. Es wäre ja nicht der Chiemgauer und nicht der Hochfelln wenn sich nicht ein Gewitter bemerkbar machen würde! Ich lasse mich aber nicht beunruhigen und versuche zügig zur schützenden Hütte zu kommen. Kurz bevor ich oben ankomme, beginnt der Regen. Ich darf die Labestation noch im Freien „genießen“. Bekomme Schwarztee und knabbere an einem M&Ms… Der Regen ist nun stark und die Hybridjacke beginnt ihren Dienst. Nachdem die freiwilligen Helfer schutz in der Hütte suchen, mache ich mich auf den Weg. Bevor die Sicht noch weniger wird. Der Abstieg ist verdammt rutschig und ich mache vorsichtig… Der Wind ist eisig und die Kaputze ist tief ins Gesicht gezogen.
Unten in Eschelmoos beim Camper (=V6, km 145) angekommen, mache ich kurz Pause. Der Regen lässt schon wieder nach. Etwas plaudern. Ein Schluck alkoholfreies Bier; Orangenspalten, Melone. Super super danke. Ein Mountainbiker sitzt auch da und wartet den Regen ab. Laut Info sollte keiner hinter mir sein, zumindest nicht innerhalb einer Stunde. Anyway, ich begebe mich bald wieder auf den Weg. Die letzten km, primär bergab. Auch wenn keiner hinter mir ist, oder auch keiner vor mir den ich jagen könnte, so treibt mich doch irgendetwas an… Vielleicht wirkt nun schon der Zielmagnet?
Auf der Forststrasse bergab (mit immer wieder kleinen Gegenanstiegen) geht es nun stetig dahin. Bald aber fährt der Mountainbiker an mir vorbei und ruft mir zu: „Da ist einer hinter dir, nur etwa 1 Minute!“. Ich: „Was? Echt?“ „Ja“ bekomme ich als Antwort und der Biker ist weg. What the f#%?! Das kann jetzt aber nicht sein, oder? Nein, nicht wirklich!? Ist Tobias wieder da!? Wenn es Armin ist, wäre es nicht so schlimm, denn der ist ja eine Stunde vor mir gestartet. Ja in diesem Fall wäre es sogar super nett die letzten km in Begleitung zu absolvieren. Bin ich doch die meiste Zeit alleine unterwegs gewesen…
Anyway, nochmals Gas geben. Einen Gang raufschalten. Go go go. Alle 20 Sekunden drehe ich mich um. Keiner zu sehen. Go go go. Im Downhill runter kurz vor der letzen Labestation dann ein Läufer hinter mir. Verdammte Sch… Dann aber die Entwarnung, es ist „nur“ ein 100km Läufer. Der erste von ihnen. Marcel. Wir laufen gemeinsam zur Labestation in Brand. Er gönnt sich noch was; ich lauf einfach durch… Ich versuche mit ihm Schritt zu halten. Bei km „3 to go“ muss ich ihn dann aber ziehen lassen; obwohl Silke, Marcus und Alois mich hier riesig anfeuern. Kein weiterer 100km Läufer hinter mir in Sicht; und vorallem kein 100 Meilen Läufer. Die letzten Meter gehen nun auch noch und ich gebe nochmals Gas um die 22 Stunden Marke zu unterbieten. 21:56:30 h. Geschafft. Wie geil ist das denn. Freude. Yes!
Tired, Dirty and Happy! So soll es sein.
Armin kommt dann in 24:32:58 h rein; ich gönne mir inzwischen eine heisse Dusche und eine Massage. Danke für dieses Service!!! Danach geht es zum Essen, etwas Nudeln mit Tomatensauce. Etwas ausruhen.
Etwas später noch ein Teller. Das tut gut. Als es dann schon dunkel ist, kommen auch die zwie 3.-platzierten Michael und Sven herein (30:02:57 h). Auch sie haben das Gewitter überstanden. Viele aber wurden durch das Gewitter „überzeugt“ den Hochfelln auszulassen und abzukürzen. Obwohl es keinen offiziellen „Befehl“ seitens der Organisation gab, verhielten sich alle so vernünftig, dass auch alle heil und ohne irgendwelche Blitzschäden das Ziel auf die eine oder andere Art und Weise erreichten. Dies zeigt mal wieder, dass der Ansatz von Gi bei so einem relativ kleinen Starterfeld wirklich funktioniert und man den Menschen (in diesem Fall Läufer) durchaus etwas Selbstverantwortung zutrauen darf. Schön das es sowas gibt. Auch Anke erreicht dann in 32:47:57 h als erste und einzige Dame der vollen 100 Meilen Distanz das Ziel. Respekt!
Um 23 Uhr geht es dann aber ab ins Bett. Auf die Matratze im Auto. Ein langer Tag war das, ein schöner langer Tag 😉
Aber nicht nur für mich sondern auch für Silke; a.k.a. the Crew! Die die Labestation in Adlgass bis 4 Uhr in der Früh gemacht hat und mir dann auch ohne Schlaf auf den Fersen geblieben ist und jede mögliche Labestation angefahren ist um mich zu unterstützen. Härter als selber zu laufen vermutlich! Ein riesen, riesen Dankeschön nochmals an dieser Stelle!!!
Am nächsten Morgen dann ein gutes Frühstück, Kaffee und eine wie immer sehr familiäre Siegerehrung inklusive Tombola. Nun mein dritter erster Platz nach 2011 und 2012. Wieder dieser geniale Pokal. Freude^3!!!
und auch eine riesen Freude als Carmen und Rudi uns einen Kurzbesuch abstatten. Die zwei sind grad am Heimweg vom GGUT wo Rudi den genialen 5. Platz holen konnte! [BTW: den Streckenrekord von Rudi konnte ich nicht unterbieten; aber soweit war ich dann auch nicht wieder weg, berücksichtigt man das Wetter und den Faktor des „alleine laufens“; und ganz ehrlich: es ist auch nebensächlich]. Es werden Geschichten ausgetauscht und noch etwas Kaffee geschlürft bevor sich dann wieder unsere Wege trennen. Mit dem Wissen, dass die nächsten Rennen folgen werden und man den einen oder anderen, die eine oder die andere bald wieder sehen wird…
Es war mir eine echte Freude!!! Danke Gi, Danke an all die Helfer die diesen Event überhaupt erst ermöglichen und Danke an Silke die sich schon wieder mal eine Nacht für mich um die Ohren geschlagen hat.
…time to recover…
