…just simply run
ein Bericht eines Chiemgauer 100 Helfers. Eigentlich.
Es ist Samstagmittag herum, es ist heiß, wirklich heiß. So um die 30°C und ich marschiere flotten Schrittes (oder versuche es zumindest) Richtung Hochfelln rauf. Die Strecke kenn ich mittlerweile gut. 2011 bin ich hier das erste Mal hoch. Im Nebel. So kühl würde ich es mir heute wünschen. Aber keine Zeit für mimimi. Dies ist der letzte wirkliche Anstieg des Tages und dann geht es (fast) nur mehr bergab. „A useless downhill“ (quote by Nickademus Hollon, 2013). Auf den freue ich mich schon. Nach einem Becher warmem Cola und etwas Wasser geht es bergab. Laufen kann man es anfänglich nicht nennen. Aber es geht voran. Bergab. Irgendwann dann auch in Eschlmoos. Die eine oder andere dunkle Wolke ist da und der Wind legt zu. Angenehm. Nach kurzem Plaudern mit den Streckenposten vor Ort dann ab auf die Schotterpiste. Rollen lassen. Einfach rollen lassen. Es geht ganz gut und der kleine Gegenanstieg vor Brand macht mir nichts, denn mittlerweile weiß ich, dass dieser kommt. Vor Brand brennen die Oberschenkel nochmals und ich muss kurz stehen bleiben. In Brand dann durch und zur etwas verlegten Labestation. Dort dann einfach durchgelaufen. Keine Zeit mehr fürs Plaudern. Silke ruft mir zu, dass wenn ich jetzt noch Gas gebe, könnte ich unter dem bisherigen Streckenrekord von Rudi Döhnert aus dem Jahre 2014 bleiben!? Ok, nur mehr wenige Kilometer (6?), das geht schon. Muss doch ;-)
Einige Stunden zuvor in Kohlstatt hat mir Silke das erste Mal verraten, dass ich gut in der Zeit liege und nur mehr 20-25 Minuten hinter dem Streckenrekord bin. Naja, eigentlich hab ich es war genommen; aber erst im nächsten Anstieg ist mir bewusst geworden, dass ich gar nicht weiß was eigentlich der Streckenrekord ist?!? Anyway, links, rechts, links, rechts… viel mehr kann ich da eh grad nicht tun.
Einige Stunden später muss ich aber eben was tun. Laufen. So schnell es noch irgendwie geht. Vor 16:28 sollte ich im Stadium sein. Ich keuche und schnaufe, um so viel wie möglich noch Luft in diesen schon etwas müden Kadaver zu bekommen. Irgendwann dann das Schild „noch 3km“; dann „noch2“, „noch 1“ und das Stadium ist erreicht. Eine 1/3 Runde auf der Bahn (Western States feeling!?) und dann rüber über die Zielline. Es ist 16:19 und mit meinem Start um 19:00 am Tag zuvor heißt dies eine Laufzeit von 21Std 19Min und 44Sec. Oh Yeah! Didi it! Course Record! ;o) …jetzt mal hinlegen und nix tun.
Erleichterung, Freude und einfach das gute Gefühl einen Lauf endlich mal wieder fast nach Plan erfolgreich gefinisht zu haben. Neuer Streckenrekord; auch wenn es nur um 9 min ist. Schon cool!
Aber Moment, was heißt hier fast nach Plan!? Eigentlich gar kein Plan.
100 miles is not that far…
…the famous quote of Speedgoat Karl Melzer!
…well, no. it is far. But it definitely helps if you are prepared for a few ups and downs along the way.
Apropos “prepared”: tja, ab und zu ist es vielleicht besser nicht zu vorbereitet zu sein; denn dann sind die Erwartungen auch nicht so hoch. Also besser „gar nicht“ vorbereitet sein und sich keinen Kopf machen; einfach loslaufen…
Ich glaube ich sollte hier wohl etwas ausholen.
Eine Woche zuvor ging es für Lukas Sörgel und mich beim OMM in Garmisch Partenkirchen bei einem Original Mountain Marathon für zwei Tage durch die Berge. Mit Karte und Kompass; und Zelt, Schlafsack, Kocher und Essen im Rucksack. Der war schwer.
Jetzt steh ich da mit Handbottle und Belt im Ziel eines mir doch schon vertrauten 100 Meiler. Dem Chiemgauer 100. Geplant. Nein. Verplant. Nicht wirklich.
Nachdem ich seit 2011 jedes Jahr noch beim Chiemgauer in irgendeiner Art und Weise zumindest da war, so wollten Silke und ich auch heuer wieder vorbei kommen; und wenn schon nicht als Läufer, dann wenigstens um die Labestation in Adlgass (km 52 der 100 Meilen Runde) zu machen. 2016 habe ich dort mit meinem Schlüsselbeinbruch (recht frisch verschraubt damals) wenigstens den anderen Läufern etwas helfen können; da ein selber laufen einfach nicht drin war. Letztes Jahr hätten wir dasselbe vorgehabt; habe mich dann aber doch für die 100 km angemeldet, da ich die Woche zuvor wegen einer Magen-Darm-Geschichte den GGUT sausen lassen musste. Letztes Jahr habe ich dann aber doch kurzentschlossen gefragt, ob ich nicht doch auf die 100 Meilen wechseln dürfte. Gesagt, getan. Und letztes Jahr ging es dann nach nicht ganz 23 Std. als Erster durchs Ziel. Hatte sich also ausgezahlt.
Diesmal war es einfach nicht geplant; denn die Woche davor mit viel Gepäck zwei Tage durch die Berge zu laufen, ist vermutlich keine ideale Vorbereitung für einen 100 Meiler. Naja, vielleicht doch!?
Am Freitag in Ruhpolding angekommen, wurde ich gleich einmal von den ersten vier denen ich über den Weg gelaufen bin gefragt, warum ich denn eigentlich nicht laufe. Ich sei doch nicht verletzt.
Tja, nach dem Zusammenpacken der Verpflegung für die Labestation in Adlgass und den Dropbags der Läufer konnte ich diesen Gedanken einfach nicht loswerden. Warum lauf ich eigentlich nicht!? Was spricht dagegen!? Silke kann mal wieder besser meine Gedanken lesen als ich sie artikulieren und meint: „Ich kann die Station auch alleine machen, kein Problem“. Hm? Wirklich? Soll ich? Nach etwas zögern dann die Frage an Gi, ob es nicht noch ginge dass ich auch an den Start gehe. „Warum nicht“ sagt er und 5 min später halte ich meine „374“ Startnummer in der Hand.
Also noch schnell a bissl was essen (Reis mit Bohnen und Mais) und die Ausrüstung herrichten. Laufzeugs haben wir ja mit; denn eigentlich dachten wir, wir würden noch etwas von der Strecke abmarkieren oder zumindest den einen oder anderen kleinen Lauf am Samstag oder Sonntag noch machen. Laufhose, Belt, einige Gels, Handflasche x 2, Stirnlampe und eine Windjacke. Schuhe und ein Kapperl. Startklar. …eine Pflichtausrüstung ist hier nicht vorgeschrieben, sondern aufgrund der kleinen Starteranzahl wird auf die Vernunft und Erfahrung der einzelnen TeilnehmerInnen vertraut. Finde ich gut so und trägt zum Charme dieses Rennens bei!
19:00. Startlinie. Ich alleine. Der Großteil ist bereits um 14:00 gestartet; noch einige um 15:00; um 16:00; drei (u.a. Armin) um 17:00 und noch drei (inkl. Tobias) um 18:00. Jeder wählt seine Startzeit so, dass er nach Beendigung der ersten Schleife im Stadion (~87km) nicht viel vor 4:30 am nächsten Tag (Samstag) ankommt (aber auch nicht nach 9:00: cut-off!). Denn erst dann ist es erlaubt auf die 100km Strecke zu gehen. Einfach weil erst ab dann die restlichen Labestationen besetzt sind. Sehr sinnvoll; und eben auch ein Reiz dass man sich selber etwas einschätzen können muss. Hier hilft es durchaus, wenn man schon das eine oder andere Mal dabei war.
Also es geht los. Selbst um 19:00 ist es noch warm. Und ich freue mich einfach loszulegen. Ich freue mich auf die Nacht und die Gelegenheit diesen Blutmond und den Mars live mitzuerleben. Ist doch eine super gute Ausrede um sich die Nacht um die Ohren zu schlagen und a bissl Laufen zu gehen ;-)
Und gut zwei Stunden später ist das Spektakel auch schon in vollem Gange. Es ergibt sich immer wieder ein schöner Blick auf diesen roten Mond und diesen hellen Fleck namens Mars darunter. Am Teisenberg waren heuer durchaus einige Zuseher. Nicht um uns zu sehen, sondern diesen Blutmond. Die Nacht ist angenehm und mehr als ein kurzes Shirt ist nie notwendig. Stoißer Alm, Steiner Alm und dann schon bald bin ich in Adlgass. Dort wo ich eigentlich heute Nacht „Dienst“ hätte. Irgendwie habe ich kurz ein schlechtes Gewissen; aber Silke ist super gut gelaunt, verpflegt mich ruck-zuck und schickt mich alsbald wieder auf die Strecke. Rauf zur Kohleralm geht es ok dahin und oben trinke ich einen Tee, esse eine Kartoffel und genieße nochmals den roten Blutmond; denn bald wird er uns wieder blenden. …also ab nach Mautstatt; der technische Downhill zuerst. Einfach immer wieder ein Spaß hier runter zu suchen. Laufbar ist vermutlich was anderes; aber es macht einfach Spaß. Dann irgendwann Schotterpiste. Augen zu und durch. Kurz vor Mauthäusl hole ich dann Marcus ein und wir plaudern ganz kurz. Er läuft seinen ersten 100er und ist guter Dinge; auch wenn das eine oder andere Loch schon überwunden werden musste. Mauthäusl. Es gibt Tee, eine Avokado und Schwarzbeeren (oder Blau- Heidelbeeren). Sowie einen Katrin-Spezial-Cookie. Ganz, ganz vielen lieben Dank. Runter Weißbachschlucht, dann über die nasse Wiese und rauf die Himmelsleiter. Gut wenn man weiß, dass die ja doch irgendwann aus sind. Und kurz danach ist auch schon Zwing erreicht. Der Abschnitt ist immer wieder genial und auch wenn dies nicht viele Höhenmeter sind, so ist an ein zügiges Laufen in diesem durchaus technischen Abschnitt nicht immer zu denken. Anyway, es geht gut dahin und immer wieder hole ich hier den einen oder die andere LäuferIn. Dem Urgestein Ulli (nicht weil er so alt ist, sondern weil er einfach immer dabei ist!) geht es ganz gut; wir wechseln einige Worte und dann bin ich aber auch schon wieder alleine Richtung Taubensee unterwegs. Schön langsam wird es heller und die Stirnlampe schalte ich noch vor dem Stadion aus. Labestation km 87. Silke ist schon wieder munter (zu viel Schlaf wird überbewertet, oder ;-) ). Ich bekomme Couscous mit etwas Zimt und Schwarzbeeren. Stirnlampe wird mit der Sonnenbrille getauscht und bald bin ich dann auch schon wieder unterwegs. Leider geht es Tobias nicht so gut; der Magen will grad nicht und er bleibt noch etwas im Stadion… Armin ist schon länger durch und so ist mein imaginäres Zugseil bereits gespannt ;-)
Über den Unternberg geht es „rüber“ zur Hörndlwand. Immer wieder schön (anstrengend) diese Passage. Auf der Hörndlwand bekommen wir wieder Wasser und Soletti. Danke Euch fürs raufschleppen der Wasserkanister; immer wieder genial die Truppe da oben! Bergab geht es zuerst an Schwarzbeeren vorbei (einige musste ich schon kosten) und dann in den immer rutschigen, steinigen Abstieg nach Röthelmoos runter. Selbst heute früh, wo es bereits einen Vorgeschmack der 30°C gibt, ist dort immer wieder viel Vorsicht und Konzentration gefragt, um heil unten anzukommen. In Röthelmoos (km 103) hole ich dann Hans ein. Er ist um 16:00 auf seinen ersten 100 Meiler gestartet und es läuft für ihn einfach super gut. Schlussendlich darf er sich sogar über einen Podiumsplatz freuen. Chapeau! Chapeau! …das nenne ich „Plan aufgegangen“! Aber zurück zu meinem Nicht-Plan. Rauf zur Jochbergalm kann ich heuer sogar einige Passagen gut laufen und nach kurzer Stärkung an der Labe geht es für mich auch schon zum Hochsattel rauf. Schon so, dass mir das eine oder andere Wehwehchen zeigt, dass es nicht nur ein 10km Trainingslauf ist, aber die Beine fühlen sich immer noch gut an; der Magen macht gar keine Probleme und der Vorwärtsdrang ist da. Schön. Aja, auch schön heiß mittlerweile.
Runter nach Kohlstatt muss ich den einen oder anderen Bach bemühen und mir das kühle Nass ausgiebig über Kopf, Handgelenke und Beine gießen. Kohlstatt. Wieder Schwarzbeeren, eine halbe Avocado und weiter. So 20-25 min hinter dem Streckenrekord heißt es. Cool! Aber eigentlich ist es heiß und ich sollte mich nun primär darum kümmern, mich da gesund um diesen Kurs zu bringen. Rekordambitionen verdrängt und auf den nächsten Anstieg fokussiert. Die Sonne brennt schon ordentlich herein und jeder Schatten will genutzt sein. Maria Eck; ich koche bereits und so wird von Kapperl auf Bob gewechselt. Die Francois D’Haene Badehaube. Über den Stylefaktor kann man sicherlich diskutieren; aber er hilft einfach bei solchen Temperaturen. Armin ist etwa eine halbe Stunde vor mir. Was super ist, denn so sehen wir beide immer unsere zwei Damen bei den Labestationen. Danke Hanni, Danke Silke. Ohne Euch würde es für uns zwei um so viel schwieriger sein. Von Maria Eck geht’s nach Egg. Nein, es läuft. Die Beine wollen noch immer und so ist Egg echt bald erreicht. Dort wieder Avocado. Abkühlung und… der Rest ist Geschichte. Ok, steht am Anfang der Geschichte.
Eine coole Geschichte. Oder? So happy, dass sich das so ausgegangen ist. So happy, ein Teil dieser großen Chiemgauer 100 Family zu sein und nochmals Gratulation Allen die sich da um den Kurs (sei es 80, 100, 129, 141 oder 161km) gekämpft haben. Aber vor allem wieder einmal ein riesen riesen Dankeschön an Gi und sein Team und all den freiwilligen Helfern die sich hier für uns die Nacht um die Ohren schlagen, der Hitze trotzen und einfach die so schöne Atmosphäre dieses Laufes ausmachen. Ich danke Euch!
….und next time dann doch als Helfer dabei? …wenn Silke die 100 km in Angriff nimmt. Deal?
Happy Trails und bis bald!
Aja: die Ergebnisse gibt es hier.
...und der Bericht des lokalen Traunsteiner Tagblattes ist hier.
